Sonntag, 16. August 2009

Im Dorf da ist es gefährlich

Ein Dorf ist eine Aneinanderreihung von privaten Behausungen, öffentlichen Plätzen, staatlichen Einrichtungen, Unternehmen, gemeinnützigen Vereinen, Parks und Ähnlichem. Es gibt helle Ecken, wenig einsehbare Orte, dreckige Orte vielleicht ein Rotlichviertel. Manch einer vollizieht heimlich im dunklen Keller oder auf dem Dachboden abstruse Dinge unter Umständen Verbotenes. Des Nachts können einige Flecken im Ort zu Unbehagen führen, teilweise berechtigt. In einer schummrigen Unterführung übergibt ein Kiddie einem anderen unter Gewaltandrohung sein Handy, derweil ein Familienvater im Wohnzimmer seine Frau schlägt. An anderer Stelle gibt ein Liedermacher ein Konzert und verzückt sein Publikum. Auch den kleinen Max, der heimlich Alkohol trinkt und raucht, obgleich er keine 18 Jahre alt ist. Überwiegend positiv wirkt die Dorfgemeinschaft zusammen, macht Geschäfte, unterhält sich, flirtet oder lernt. Manchmal geht es einfach nur um Müßiggang oder Spaß. Nicht alles ist erlaubt, manches nur Grauzone, einiges sogar hoch verboten. Im Idealfall greift dann die Staatsgewalt ein und unterbindet oder bestraft Verfehlungen, die eine funktionierenden Gemeinschaft schaden.
Parks im dunkeln können gefährlich sein oder ein netter Ort für ein BBQ, zum knutschen und kuscheln oder um einfach eine Runde spazieren zu gehen. In Kellern können ganze Familien eingesperrt werden oder der Vater mit der Laubsäge ein Mobilée basteln. Sogar auf hellichter Strasse kann ein böser Mensch unter Augen der Öffentlichkeit den gesetzlichen Rahmen sprengen, seinen Hund verprügeln oder eine Bank überfallen. Im Normalfall jedoch arrangieren sich alle Bewohner miteinander, stressvermeidend und unter gegenseitiger Rücksichtnahme. Und immer wieder werden Grenzüberschritte angemahnt oder verfolgt, zum Teil ohne Aufklärung und Verurteilung eines Täters. Jeder könnte Böses im Sinn haben, die meisten jedoch wollen einfach ihre Ruhe, vorankommen, Spass haben - Leben eben.
Niemand käme auf die Idee Keller oder Parks zu verbieten. Nicht einmal Gebüsche oder Rotlichviertel werden zubetoniert. Bei Verdacht auf Schandtaten jedoch wird ermittelt. Im Dorf wird nicht Buch darüber geführt, wer, wann, wo, mit wem was auch immer tut. Es gibt keine An- oder Abmeldepflichten und keiner muss seine Intimsphäre durchleuchten lassen, außer es besteht erhärteter Verdacht. Und das Wunder: es funktioniert dennoch. Obwohl ab und zu mediale Schreckensbilder gegenteiliges verheißen. Recht und Ordnung überleben im gemeinschaftlichen Konsens gelenkt und verwaltet durch die drei Staatsgewalten, gewählt und getragen vom Bürger.

Das Internet ist auch nur ein Dorf. Mit Kellern und Bordellen, mit Gebüschen und Klowänden, mit Freaks und Betrunkenen und jeder Menge langweiligen Normalos. Und ach Wunder, treibt jemand Bösartiges wird es gemeinhin erkannt und verurteilt, kommt ans Tageslicht. Auch ohne die Gesamtheit seiner Nutzer auszuhorchen, zu beschatten, auszusperren, an eine moralische Leine zu legen. Und wenn jemand ein verstecktes Neonaziforum nur für Mitglieder betreibt, kann es lange dauern bis es jemand bemerkt, ebenso wie Herr Fritzl jahrzehntelang einen heimlichen dunklen Keller für übelste Schandtaten missbrauchte.
Mögen die Entscheider, das Internet verstehen, statt es zu reglementieren. Mögen sie fähige Berater finden und vor allem ihren Anteil leisten, dass eine Gesellschaft nicht derart verkommt, dass ruhige schlecht ausgeleuchtete Plätze zweckentfremdet werden.