Freitag, 4. April 2008

Benimmschule - am Anfang steht der Knigge - doch hinten sollte die Moral sein!

Manieren gedeiht einem, die bedachte Mutter an, aus welcher sozialen Schicht auch immer man entschlüpft ist. Als Sproß einer Arbeiter- und Angestelltenfamilie, bin und war ich sehr wohl in der Lage, Messer und Gabel elegant zur Nahrungsaufnahme zu interpretieren. Auch Grundregeln an respektvoller Höflichkeit sind mir kein unsicheres Terrain. Generell wurde in meiner Erziehung fundamentaler Wert auf Respekt und Achtung gelegt. Glücklicherweise blieb ich von Sonntagsdress und Konfirmationsunterricht verschont, gestelzte Floskeln und Lieblingsschwiegersohnverhalten wurden mir niemals abverlangt.

Gegenwärtig touchiere ich, bedungen durch Klassensprünge finanzieller Art, selbsternannte elitäre Dunstkreise. Antiquierte Dynastien treffen auf Geldadel und glamouröse Prominenz, betten sich gemeinsam in Dekadenz und Opulenz. Das Regelwerk für Benimm und Etikette ist sehr umfangreich und wird forciert abverlangt. Diese sogenannten Manieren dienen jedoch einzig und allein der Abgrenzung zur Normalsterblichkeit. Ist der ursächliche Selbstzweck für Manieren, eine funktionierende Gesellschaft, in der jedes Individuum durch Rücksichtnahme seinen Platz findet, so sind die erwähnten Benimmregeln lediglich sektiererisches Instrument. Eine Kaste feiert sich selbst und echauffiert sich auch 2000 Jahre nach dem Messias noch über den Pöbel. Wer hier Überspitzung vermutet, begebe sich an einschlägige Orte und begutachte betuchte Oberklasse beim Pfauentanz. Respekt und Menschenfreundlichkeit bleiben Fehlanzeige. Entlarvende Verachtung gegenüber Statusfremden werden mit minimalistischem Mimenspiel und Gestik suggeriert.

Dies gilt weiß Gott nicht für den Wohlstand in seiner Breite, jedoch für denjenigen welcher sich im goldenen Licht sonnt und auf Bewunderung hofft. Die affektierte Selbstdarstellung zeigt sich ausgeprägter, je weniger verantwortlich ein jedes Subjekt für sein eigenes wohlbehütetes Schicksal war. Erst in diesem Kontrast wird die Wichtigkeit wahrer elder Statesmen bewusst. Ein Helmut Schmidt leuchtet hell in jeder noch so illustren Gesellschaft, obgleich auch ihn eine spürbare Arroganz ummantelt. Aber da schwingt auch eine Freundlichkeit und unstillbares Wissen und Interesse mit. Nicht weniger wertvoll erscheinen die alten und neuen Helden unseres Zeitalters. Bill Gates, wie Steve Jobs, aber aktuell auch Mark Zuckerberg verwässern alteingespielte Rituale durch ihr unorhodoxes Auftreten gepaart mit offensichtlichem Wert für die Gesellschaft.

Es sind die seltenen Momente, die Genugtuung verschaffen: Die Not eines leeren Tanks mitten in der Nacht am unausgeleuchteten Rand einer Autobahn unterscheidet nicht zwischen Bentley oder Opel. Umso dankbarer leuchteten die Augen eines mir unbekannten Bestverdieners, als ich in jungen Jahren mit verrostetem Kadett die Bremse fand, um meine Hilfe anzubieten. Die gemeinsame Fahrt zur Tankstelle war peinlich berührt wortkarg seinerseits und humorvoll aufgelockert meinerseits, dazu untermalt ein leierndes Tape mit detuschem Hiphop die nächtliche Ruhe. Rückkehr mit vollem Kanister lockte dann doch ein Lächeln auf seine Lippen, welches ihm entgleiten musste, in dem Moment, als ich seine großzügige Finanzspritze ablehnte. "Freikaufen ist nicht...nächstes mal bist du dran..."

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Du bist echt der Held.... So langsam schwappt Dein Wortwitz, den Du um jeden Preis hochhalten willst hinnüber ins Un-/ falsche Deutsch. Aber so ist das, wenn man überall übertreiben will...

Cornelius H. hat gesagt…

Dialoge, lassen sich so schwer auf direktem Wege führen, wenn der Absender anonym auftritt...

Anonym hat gesagt…

Ein bisschen fühle ich mich in meinen Vorurteilen bestätigt, die überwiegend durch Medien geprägt sind. Da fällt mir spontan eine Frau Schumacher ein und ich weiß ad hoc gar nicht, warum.
Allerdings kenne ich auch Exemplar Selfmade-Millionär, der für seinen Erfolg lange, hart und fleißig gearbeitet hat und alles, nur nicht abgehoben ist. Im Gegenteil empfinde ich von ihm eine beruhigende und aufmunternde Weisheit ausgehend, schon eine Art des Drüberstehens, entfernt verwandt mit der Arroganz, aber nur für Leute, die ungenau hinschauen und -hören. Vielleicht ist das dieses Schmidt'sche Leuchten ;)

Ich habe mich schon oft gefragt - man kennt ja diese Rumspinnerei z.B. "Was wäre, wenn wir im Lotto gewinnenen" - was mit uns passieren würde (innen), wären wir plötzlich reich. Okay, im Lotto gewinnen wir sicher nie, aber mW schreibt seit ewigen Zeiten und die Wahrscheinlichkeit, damit irgendwann Geld zu verdienen, ist bedeutend größer als den Jackpott zu knacken (und freundlicher), denn dazu müsste ich mal anfangen zu zocken.

Aber würde man sich verändern, und wenn ja, wohin? Bekäme man plötzlich Flügel und würde davonfliegen ohne es zu merken? Würde ich anfangen mich täglich zu schminken, Klunker und Designerklamotten zu kaufen, von denen ich gegenwärtlich nichts halte, sie mir aber sowieso gar nicht kaufen könnte ... aber wenn ich es könnte, würde ich es tun? Würde ich anfangen meine Blagen zu verziehen, ihnen die Scheine in die süßen Hintern pusten? Würde ich zeigen wollen, was ich habe, mich damit irgendwie von dem Mensch, der ich heute bin, entfernen? Nein? Ja? Warum, aus Stolz oder Angabe, vor Glück, völlig gedankenlos?
Ganz sicher würde ich ein schönes Haus kaufen wollen. Das ist meins. Keine Villa und kein Schnickschnack, aber ein schönes großes Haus mit großen Räumen, großem Garten und Platz für all meine Lieben.

Es gab eine Zeit, da dachte ich von Herzen: "Wenn ich die Wahl hätte zwischen viel Geld und so zu sein wie dieses reiches Arschloch, würde ich lieber auf das Geld verzichten."
So ganz konnte ich mich nie davon lösen, aber heute würde ich versuchen wollen, kein Arschloch zu werden und das Geld wohl dankend nehmen.

Ich hätte schrecklich gerne schrecklich viel Geld, trotzdem überschaubar bleibend. Doch gleichzeitig sind da auch große Bedenken ... mit diesem Leben und Kontostand habe ich gelernt zu leben und umzugehen, alles wird zur Gewohnheit und irgendwann ist man in diesem Leben daheim, auch wenn es holpert und stolpert. Was bliebe übrig, wenn all diese Dinge, die das Daheim ausmachen, plötzlich nicht mehr da wären? Wenn es die Zufriedenheit wäre und ein bisschen Glück - her damit. Aber das scheint nicht die Regel zu sein, oder?
Sorgen verschwinden nicht, sie verändern sich. Und dann bleiben die Fragen: Kann ich damit umgehen? Komme ich mit diesem Neuen klar?
Was ich habe, weiß ich, was ich kriege ... ;)

Aber im Ernst - ich neide den Reichen nicht ihr Geld, ich verabscheue nur manche für ihre Verunmenschlichung und Oberflächlichkeit, die sie darunter entwickeln. Und ich finde es sehr unpassend, wenn sich gerade die, denen der Wohlstand ohne Schweiß und Schwielen in den Schoß gefallen ist, über andere erheben und sich selbstverständlich in die Klasse der "Bessermenschen" wuchten, ohne es verdient zu haben - im Wortsinn gemeint.

Schönen Abend noch ;)

Cornelius H. hat gesagt…

Hallo Frau D,
Danke für die umfangreichen Zeilen. Und Lotto ist der falscheste Weg, wie wir beide wissen...Herzblut macht reich, vielleicht nicht zwingend sofort aufm Konto. Einige deiner Themen schwirren mir als nächste Posts schon länger im Kopf herum...du wirst lesen. Und ich mir mal deinen Blog zu Gemüte führen :)

Anonym hat gesagt…

Da freue ich mich aber. Im Augenblick ist ein bisschen die Blogunlust ausgebrochen, aber vermutlich liegt es einfach nur daran, dass ich - außer bloggen - noch 1000 andere Sachen zu tun habe, so dass das fast schon Zeitverschwendung ist ;)
Aber ... alles wird gut und besser.