Samstag, 14. November 2009

Geld haben kommt von Geld haben kommt von Geld sparen - Phase 1

2001: Das abgebrochene Studium machte aus mir zwar keinen diplomierten Grafikdesigner, bot aber ausreichend Anlass für ein zweinächtiges exzessives Frustbefreiungsgelage großzügiger Art. Nachdem meine zugequollenen Augen des morgens in Zeitlupe nachvollziehen, wie meine müden Beine über einen großen Stapel Post stolpern, bleibt nur Ignoranz durch Tiefschlaf. Mit räderndem Kater ist der Genuß der Brieföffnung wesentlich gigantischer. Ein buntes Potpourrie von Mahnungen, Inkasso-Kuschelkontakt, Fanpost der Sparkasse und unaufdringlicher Freundlichkeit des Vermieters auf Papier versüßt meinen Sonntagmorgen. Mein Körper lechzt nach Nikotin und Kaffee, nach dem Gelage finden sich jedoch nur Cents in meinen Taschen. Parallel macht die Post nicht viel Hoffnung auf EC-Kartenfunktionalität. Das Leiden beginnt und steigert sich mit der Bestandsaufnahme meiner Ausstände:
Ein ausgereizter Dispo, Mahnungsstapel samt Inkasso, dazu spendable Freunde und Familienmitglieder deren Unruhe wächst und ein Kleinkredit bei meiner Bank addieren sich schnell auf satte 6.000 Euro minus. In meinem zarten Alter von 23 Jahren hab ich nicht wirklich gelebt wie ein prassender König. Doch Fixkosten, Folgekosten, Unachtsamkeit, eine Prise Pech und Niedrigeinkommen sorgen für eine brisante Mischung. Des Schicksals Ironie honoriert fehlendes Kleingeld mit Zusatzforderungen in Form von Lastschrift-, Mahnungs- und Inkassogebühren, üppigen Dispo- und Überziehungszinsen und hungrigen Notkäufen an der Tanke, wenn endlich Zahlungseingang ist.
Die tragische Pointe glänzt mit Besuch, wenn auch noch Geld für den HVV fehlt, zeitgleich aber Kontrolleure eine intensive Unterhaltung suchen.

Ich weiß noch zu gut, wie Spaghettireste mit des Mitbewohners geklauter Zwiebel als einzigem Geschmacksträger schmecken. Auch der beißende Geschmack von Billigzigaretten, ausgelöhnt mit dem letzten Leergut bleibt eingebrannt in meiner Erinnerung...
ES MUSSTE SICH ETWAS ÄNDERN!!!


Meine Eltern hatten genug zum Leben, es jedoch nicht so dicke, mich zu jeder Gelegenheit mit Talerbergen zuzuschütten. Parallel war 2001 nicht gerade das Jahr, um ohne große Berufserfahrung große Gehälter abzugrasen. Aber ich wollte raus aus dem erquickenden Schuldenstrudel - vielmehr noch: Ich wollte Wohlstand, Spass am Leben und Sorgenfreiheit. Nur wie schaffen?

Timing und die rechte Gelegenheit zwangen mich zu einer maßgeblichen Entscheidung, absolute Askese bei beherztem Arschaufriss. Mein Vermieter drängte auf eine extrem zeitnahe Abwicklug unserer Geschäftsbeziehung, während eine neue Wohnung mangels Kapitalstärke für Kaution, Courtage, Miete und Umzug höchst unwahrscheinlich war. Die einzige Lösung war ein winziger Keller bei einem Kollegen - Bezahlung hierfür ein Kasten Bier im Monat. Der Deal war schneller perfekt, als das mein Handy endlich wieder freigeschaltet wurde. Mit denkbar niedriger Miete und einer großen Lebensmitteltüte aus dem Elternhaus fand sich Zeit für klare Gedanken und die daraus resultierende Entscheidung:
Kosten gen Null, Einnahmemaximierung für exakt ein Jahr.

Ich war immer schon Lebemann, Ausgehen großes Hobby. Einnahmen in Echtzeit zu verkonsumieren war niemals Herausforderung - insofern war dieser Entschluss ein gravierender Einschnitt in gelebte Gewohnheit. Äußere Zwänge jedoch können die Willenskraft durchaus befeuern. Schon zuvor jobbte ich kellnernd, das ließ sich schnell zeitlich verdoppeln, denn Gastronomiepersonal in Hamburg ist immer rar. Dazu durfte ich beim selben Arbeitgeber auch Nachtschichten im Hotel belegen, als Poitier. Ohne den Druck eines Studiums resultierte keine gigantische Belastung. Mehr noch, ich konnte zusätzlich grauzonige Gefälligkeitsjobs belegen. Diese führten zwar an die Ränder allen Zumutbaren (DJ-Entertainment für Ü50-Parties auf dem Dorf können grausam sein), aber sicherten ein solides Zubrot. Im etwas dunkelgraueren Bereich konnte ich mein Studium nutzen und Grafiken für kleine Webprojekte liefern. Günstiger als meine Dumpingpreise war wohl niemand.

Zunächst empfand ich einen emotionalen und sozialen Supergau. Das Wochenende ohne Außerhaus-Promille, aber arbeitend zuzubringen, macht sehr einsam zu Beginn der eigenen zwanziger Jahre. Noch heute zehre ich aber von der Beliebtheit mit zwei Sixpacks Bier (acht Euro) bei Freunden aufzuschlagen und sich zum Essen und Playstation spielen einzuladen. Die massive Kellnerei kompensierte auch meine mangelnde private Nahrungsaufnahme - Personal futtert zum Glück umsonst.

Mit einem zumutbaren Kraftakt konnte ich ad hoc meine monatlichen Ausgaben auf 300 Euro reduzieren, während meine legalen, halblegalen und staatsfeindlichen Einnahmen sich schnell auf 1.500-2.000 Euro steigerten. Bei Projektabschluss von Grafikjobs oder schwarz getätigter Maloche (Umzug, Bau, Messe) kleckerten auch mal größere Summen zusätzlich in meine gierigen Taschen. Ich hielt es zusätzlich für angemessen und bereinigend, mich via Ebay von materiellem Besitzstand ohne emotionale bindung zu trennen.

Das Resultat konnte sich sehen lassen. Nach nur drei Monaten waren sämtliche Schulden getilgt und Kredite ausgelöst - es ging an die Produktion schwarzer Zahlen. Asufallende Urlaubskosten und gleichzeitig intensiviertes Durcharbeiten beschleunigten diesen Kampf enorm, mein Ehrgeiz war geweckt. Bedungen durch diesen Kraftakt blieb sogar der Kellerspender erstaunlich wohlgesonnen. Vielleicht auch dank meiner immer fundierteren Kochkünste (Sparsamkeit macht kreativ), die er in wachsender Regelmäßigkeit genießen durfte.

365 Tage enden schneller als geplant, fast wehmütig erinnere ich diesen Moment - hab ich die massive Askese doch tatsächlich liebgewonnen. Nach maximaler Ignoranz meines Kontos wagte ich nach exakt einem Jahr einen Blick auf den aktuellen Auszug. Dort stand eine schwarze Zahl in Höhe von exakt:
23.352,12 Euro!!!

Ich hatte mein Ziel erreicht. 24 Jahre jung, aus eigener Kraft schuldenfrei und bereichert um extreme Erfahrungen. Ich fühlte mich erleichtert und zum Platzen stolz.

An dieser Stelle erlaubt sich ein PS.:
Seit diesem Tag war die Zahl unterm Strich immer schwarz. Belastende Zinsen kenne ich nicht mehr. Sämtliche Zusatzkosten bleiben dauerhaft außen vor. Zur Verdeutlichung: Zuvor habe ich jährliche Schuldenkosten (Zinsen, Mahnungen, Rückläufer, Entsperrungen etc.) in Höhe von knapp 6.000 Euro gehabt. Selbst wenn diese Summe nicht gesteigert worden wäre, wäre bei fünfzig weiteren Lebensjahren auf diesem Niveau eine verschenkte Gesamtsumme um die 300.000 Euro drin gewesen. Das ist so unrealistisch nicht, schaut man sich die durchschnittliche Verschuldung in Deutschland an. Wo nix ist, wird immer mehr genommen! Geld haben kommt von Geld haben...

2 Kommentare:

katze hat gesagt…

Handwerker sind zu teuer

Cornelius H. hat gesagt…

@Katze: Was will mir das sagen?