Sonntag, 13. Januar 2008

Der erste Euro ohne Arbeitsstunde

Nach unten geht es schnell auch ohne viel eigenes Verschulden. In Hamburg lebend kann die Absicht, den Wohnsitz zu ändern eine schwere Katastrophe bedeuten. Als die Hauptmieterin meiner WG ihren Auszug plante, wollte der Vermieter den Vertrag nicht übertragen. Es folgten demütigende Wohnungsbesichtigungen auf einem vollends abgegrasten Markt. An sich würde niemand freiwillig Quadratmeterpreise von 12 Euro in Kauf nehmen, noch dazu in abgelegenen Vierteln. Schon gar nicht unsaniert und mit Altlasten, wie Nachtspeicherheizung und Einfachverglasung. Man wäre nicht erfreut für so ein miserables Angebot auch noch Courtage zu bezahlen. Doch saisonbedingt und dem hanseatischen Wohnungsmarkt Tribut zollend würde man all dies geknirscht akzeptieren. Dort allein liegt auch die Begründung, warum man sich zum zwölften Mal mit mehreren hunderten Mietinteressenten das Treppenhaus hinaufstapelt. Man fügt sich seinem Schicksal und doch ohne Erfolg. Das Ausmaß an Skepsis und Vorsicht von Vermieterseite, beziehungsweise derer Schergen in Makleruniform, ist exorbitant. Ohne Festanstellung, Lebensversicherung und reiches Elternhaus, wird maximal ein mitleidiges Lächeln angeboten. Für die Brücke als Alternative, geht es aber noch zu gut.
Wer im Immobilienteil ein wenig weiterblättert, stolpert zwangsläufig über die Gewerbeimmobilien. Hier stellt sich ein völlig anderes Bild dar. Größter Leerstand seit dem Krieg drückt die Preise in den Keller. Provisions- wie Mietfreiheit wird selbst in renommierter Lage in Aussicht gestellt.
In der Tierwelt ist der Makler ein Chamäleon. Eben noch - im Wohnraum - in Arroganz gehüllt und abschätzig lächelnd, macht er einem nun den Hof. Natürlich ist die Ausstattung verhandelbar, die Küche wird erneuert und Stäbchenparkett verlegt. Einzug ist sofort oder auch in fünf Monaten möglich. Als Sicherheit reicht eine Kaution. Bei acht Euro quadratmeterweise, elbnaher Lage im Grünen, wird einem wohlig warm ums Herz. Es ist natürlich offiziell verboten Gewerbefläche zu bewohnen, anmieten darf sie jedoch Jedermann. Taktisch klug legt man sich eine offizielle Meldeadresse bei Bekannten zu, allein schon, um wählen zu dürfen. Der eigentliche Nachteil einer Gewerbefläche, liegt in der meist sehr großen Abmessung. Nur schwer findet sich eine handliche Größe und so addieren sich die vielen Quadratmeter zu einer stattlichen Gesamtmiete. In meinem Fall kamen so für 125 qm stolze 1.000 Euro Warmmiete zusammen. Andererseits kostete mein WG-Zimmer zuvor auch schon üppige 470 Euro. Zudem konnte ich nun auch mein Büro aus einer Gemeinschaft lösen und fertig war mein Homeoffice. Meine schüchternen Einnahmen, wären niemals in der Lage gewesen diese Summe zu stemmen, doch die Zeit drängte und es gab keinen Ausweg, als es sich vom Munde abzusparen und das Rauchen einzustellen. Nach nur zwei Monaten in diesem Improvisationspalast, klopften die potentiellen Glücksmomente an die Tür - unverhofft und nicht eingeplant. Es war mein Onkel, der mich zu meinem Glück zwang. Dieser hatte, einem Ölkonzern sei Dank, eine gut dotierte Stelle im fernen Ausland angeboten bekommen. Die Befristung auf ein Jahr, veranlasste ihn, einerseits die Wohnung in Hamburg aufzugeben und andererseits nicht wirklich und in Gänze fort zu ziehen. Eher eine Art elegantes Hotelleben in der Exotik, mit gutbezahltem Karriereschub. Seine Möbel allerdings wusste er nicht so recht unterzubringen. Sie sollten vertraulich gelagert, aber nicht horrend teuer untergestellt sein. Viele Angebote gibt es nicht, so wandte er sich an mich, wohlwissend, dass mich viel leerer Raum umgab. Im Vergleich mit etlichen konventionellen Angeboten, waren die 200 Euro monatlich, die er mir in Aussicht stellte, für ihn eine wirkliche Ersparniss. Für mich jedoch hieß es fortan beträchtliche Mietschmälerung für ein gehobenes Wohnambiente. Sein Faible für Antikes und Designklassiker vertrug sich gut mit meinem bis dato recht spartanischem Wohngefühl und der Deal war gemacht. Glücklicherweise ist sein Vertrag nun mehrfach verlängert worden. Ich allerdings entdeckte auf einmal die Möglichkeit Geld durch besondere Umstände und nicht durch stundenweise Bezahlung zu generieren. Meine mittlerweile wirklich wohnliche und zum Loft mutierte Gewerbefläche, barg einiges Potential. Zunächst einmal, der nordgewandte, durch ein kleines Fenster nur minimal ausgeleuchtete Raum, den ich zuvor als Playstation-Spielhalle nutzte. Dieser war knapp 20 Quadratmeter groß und glänzte durch eine Deckenhöhe von 4,50 Metern. Dieser geldwerte Betonwürfel wurde nun kubikmeterweise feilgeboten. Zunächst nur mal testweise, ohne reale Absicht. Es zeigte sich jedoch schnell, dem Steuersystem sei Dank, ein großer Bedarf. Viele Kleinstunernehmen nutzten die Möglichkeit ihre Flächen von Ordnermassen zu befreien und stauten nur zu gern bei mir ein. Sofort wurde klar, dass ich nunmehr mietfrei wohnte, zwecks Absicherung, eine Einbruchdiebstahl, Feuer- und Wasserschadenversicherung abschließen, sowie der Struktur halber eine Buchhalterin beschäftigen konnte. Letztere kümmerte sich inklusive, sogar um all meine anderen Geschäftsvorgänge. Der Bonus jedoch war Mathilde, dieses zarte gutherzige Wesen fortgeschrittenen Alters brachte fortan und wöchentlich Glanz in meine Hütte. Ich hatte völlig unterschätzt, wieviel Reinigungsaufwand 125 Quadratmeter, gepaart mit Designermöbeln machen. Um vorgeworfener Dekadenz vorzubeugen, sei an dieser Stelle erwähnt, dass diese Seele von einer Frau, weit über Tarif bezahlt wird und meinen absoluten Respekt genießt. Zudem brachte mein Heim nach wie vor, in seiner Größe begründet, genug stupide Arbeit auch für mich hervor.

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